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Maria del Pilar Bejarano Pérez
Essay über das Thema: "Die zwei Spanien"
Der Text, entstanden im Rahmen der Lehrveranstaltung Alemán V, 2001/2002, wurde für die Veröffentlichung geringfügig überarbeitet.
Erschienen: Januar 2003
Empfohlene Zitierweise:

Maria del Pilar Bejarano Pérez: Essay über das Thema: "Die zwei Spanien" (Januar 2003), in: g-daf-es <http://www.g-daf-es.net/lesen_und_sehen/texte/mpbp.htm>.

Bitte setzen Sie beim Zitieren dieses Beitrags hinter die URL-Angabe in runde Klammern das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse.

Ein Bürgerkrieg endet freilich nicht bei der Kapitulation, sondern der Haß und der Groll bleiben lange, lange Zeit. Im Falle des spanischen Bürgerkriegs wurde die Gesellschaft 1939 von einem furchtsamen Schleier von Schweigen verhüllt, den es heute noch gibt. Ob es jetzt zwei Spanien in Bezug auf die Gegner gibt, davon ist kaum die Rede. Was noch in Kraft ist, ist die Unkenntnis vieler geschehener Dinge, der Täter, usw. bei den auf den Krieg folgenden Generationen. Schon am Anfang eines neuen Jahrhunderts ist jede Forderung nach Gerechtigkeit vergessen. Nur die Jugend ist in der Lage, die Geschichte zu kennen, viele Namen zu erinnern, die manchmal aus Angst, manchmal aus Nachlässigkeit in Vergessenheit geraten sind. Dies ist Teil dessen, was wir heute als Spanier sind, und deshalb verdient es, bekannt und erkannt zu werden.

Kurz nach dem Krieg, in einem halbzerstörten und verbluteten Spanien, bestand eine gewisse, aus ehemaligen Gegnern bestehende Opposition zu Franco weiter. Diese Personen waren entweder noch nicht geflohen, oder waren zurückgekehrt, um gegen die sogennanten "nacionales" weiter zu kämpfen. Trotzdem hörten die Aktivitäten dieser Gruppen nach und nach auf. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: Die starke Repression zu Beginn des Regimes; die Angst einer nicht-alphabetisierten und halbverhungerten Bevölkerung vor einer Wiederholung des Krieges und damit vor den Exekutionskommandos (die anderseits anscheinend auch noch einige Zeit nach dem Kriegsende weiter machten) und endlich das massive Exil von sozialistischen, anarchistischen und kommunistischen Aktivisten nach Frankreich und anderen europäischen Ländern. Viele von diesen nahmen am Zweiten Weltkrieg teil und/oder wurden in Konzentrationslager geschickt wegen der Verbindungen der spanischen Regierung zum Dritten Reich. Danach beherrschte das Schweigen die Leute und nur unter Familienangehörigen, im Flüsterton und einige Jahre später sprach man von dem Geschehenen, manchmal mit Namen. Bis in die Siebziger Jahre verhinderte man es sogar, den Krieg zur Sprache zu bringen, einfach aus abergläubischer Angst davor, dass das zu einem weiteren Krieg führen könnte.

Obwohl die Stille überwog, lebten noch der Schreck und die Erinnerung an das Jahr 1936. Daher muss man daran nicht zweifeln, dass während des Franquismus die Angst dazu zwang, der Seite der Republikaner nicht zu gedenken. Als die Demokratie jedoch ankam, nahm sich keine weitere Regierung (nicht einmal die der Sozialisten) vor, die Erinnerung an die republikanischen Vorkämpfer wiedereinzusetzen, auch nicht an die "Brigadas Internacionales", oder die im KZ Mauthausen oder während des Zweiten Weltkriegs ermordeten Republikaner. Die erste Ausrede war, dass die spanische Gesellschaft die Reife erreicht hatte, um den Groll, den Krieg, usw. wieder zu erleben. Durch ein Wunder verwandelte sich ein Land, das nach einem fruchtbaren Bürgerkrieg ein totalitäres Regime 40 Jahre lang erlebt hatte, in eine von jeher demokratische, moderne und - das Wichtigste - in eine europäische Gesellschaft. Unter diesen Merkmalen kamen unter keinen Umständen solche Versuche in Frage, den Schmutz einer Vergangenheit umzugraben, die begraben bleiben musste, denn diese war ein Hindernis für jenes neue Spanien, das von allen (Politikern, Institutionen, Katholischer Kirche und Bevölkerung) geschaffen wurde. Es handelte sich letzten Endes um die Fahrkarte nach Europa. Dann war es scheinbar nicht ratsam, zu erinnern, zu erzählen, einem jeden seinen Ort in der Geschichte Spaniens zu gewähren.

Eine der offensichtlichsten Konsequenzen jener Situation ist, dass die damalige Jugend, die doch fähig war, das so lange verschwiegene Geschehen zu kennen, unwissend blieb. Franco hatte sich dazu entschlossen, die Gefallenen der nationalen Seite heiligzusprechen, und die folgenden demokratischen Regierungen opferten die Chance, dem Volk eine richtige Darstellung des Krieges mitzuteilen. Ein anderes Ergebnis war, dass man nicht erreichte, dass der Groll zu Ende ging. Jeder hatte seine eigenen Demütigungen vor Augen, war aber nicht darüber informiert, dass andere auch gedemütigt worden waren. Während des demokratischen Übergangs fehlte Spanien eine Übung in gemeinsamer Psychoanalyse, stattdessen gab es eine der institutionellen Vergessenheit geschuldete, kulturelle Verwaisung.

Und so kamen wir in der Gegenwart an. Zu den genannten Folgen des Schweigens fügt man hinzu, dass jemand unter 25 Jahren an der vorigen bzw. heutigen Existenz der zwei Spanien ganz zweifelt. Mit der Zeit sterben die Vorkämpfer/innen allmählich. Das bedeutet, wer seine Erfahrungen erzählen kann, ist dafür zu müde und wartet leicht nur auf seinen Tod. Er hat wegen der Müdigkeit eines ganzen Lebens, das zu Ende geht, die Absicht zu vergessen. Und wenn er darüber sprechen wollte, fände er niemanden, der ihm zuhören möchte, denn die Jugend interessiert sich nicht für so fremde Geschichten. Nur die Filme oder die Bilder wie "Guernica" von Picasso bringen die neuen Generationen mit einem Geschehen der Geschichte Spaniens in Verbindung, worüber kaum jemand sich Mühe gibt, zu sprechen, bzw. er manipuliert es seiner Meinung nach, indem er erzählt, was erzählt werden muss. Daher sind viele zum Beispiel davon überzeugt, dass der Bürgerkrieg im Baskenland schrecklich gewesen ist, einfach, weil der Bombenangriff über Guernica ein berühmtes Bild angeregt hat; oder einige glauben, die Republikaner waren die Opfer und die andern die Henker, kurz und gut, weil die letzten Filme über dieses Thema es so dargestellt haben. Aber keiner fragt weder nach der Seite, auf der sein Großvater kämpfte, oder warum er kämpfte; noch danach, ob es im Dorfe seiner Eltern viele Tötungen gab, oder ob KZs für Republikaner existierten, wie die in Extremadura gefundenen (es versetzt einen in Erstaunen, dass im Dorf daneben zwar alle davon wussten, aber niemand davon berichtet hatte). Auch gibt es unzählige Massengräber, die noch niemand ausgraben will - keine Ahnung, warum nicht. Oder die den republikanischen Hälftlingen gestohlenen Kinder, was eine Ironie ist, denn in Spanien ist dieselbe Tat während der militärischen Diktatur in Argentinien berühmt geworden, viele aber wissen nicht, dass so etwas auch in ihrem eigenen Land geschehen ist.

Wenn man einen Film über die Nazizeit sieht, oder ein Buch darüber liest, fragt man sich nach dem Grund, warum man diese Taten noch erzählt. Die Antwort bleibt immer gleich: Man soll diese Sachen nicht wiederholen. Wenn ich an den Bürgerkrieg oder an den Franquismus denke, finde ich unter meinen Bekannten kaum ein Bewußstsein von dem in Spanien im letzten Jahrhundert Geschehenen. Und dann denke ich über jene Antwort nach, und verliere die Hoffnung, dass diese Taten nie mehr geschehen werden. Wenn wir die Geschichte nicht kennen oder sie vergessen, wiederholen wir sie.




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letzte Aktualisierung: 8. März 2004
actualizada: 8 de marzo de 2004